Marathonverrückte Läufer/in des Laufteams des SV Bergwacht Rohren nahmen teil am „längsten Marathon der Welt“.

 

Irgendwann, Anfang des letzten Jahres kam im Gequassel während des diensttäglichen Lauftreffs in Rohren die Idee auf, man könnte doch mal am Medoc-Marathon teilnehmen. Die Region „Medoc“, das berühmteste Rotweinanbaugebiet Frankreichs, liegt nördlich von Bordeaux zwischen dem westlichen Ufer des Mündungsarms der Gironde und dem Atlantik. Alljährlich im September findet hier unter der offiziellen Bezeichnung „Marathon des Chateuax et des Graves“ ein Spektakel statt, welches weltweit seinesgleichen sucht.

  Ute (Lauscher) erinnerte in der Folgezeit regelmäßig und gottlob hartnäckig an diese Anfangsidee und mit der Zeit kristallisierten sich neben Ute sieben weitere, „echte“ Interessenten für diese Veranstaltung heraus, nämlich Ralf Pauken (Utes Lebenspartner und unser aller Laufwart), Uli Claahsen, Rudi Rombach, Christof Braun, Holger Compes, Volker Jansen und Erwin Thoma. Im Zuge der ersten Maßnahmen bestimmten wir demokratisch den Christof zum Medoc-Beauftragten, der sich sofort an die Organisation der Reise machte. Aus heutiger Sicht ist dazu zu sagen, dass er seine diesbezüglichen Aufgaben hervorragend erledigt hat. Zunächst hieß es, für alle Mitglieder der Reisegruppe eine der begehrten Startnummern zu erhalten. Gar nicht so einfach, angesichts der Tatsache, dass sich jährlich ca. 20.000 Bewerber um die streng limitierten 8.500 Startnummern bei diesem Marathonrennen streiten und nur 2.000  Startplätze an „Ausländer“ vergeben werden. Doch dank der Mithilfe einer netten, französisch sprechenden Sekretärin, die wiederum Christofs unwiderstehlichem Charme erlegen war, hielten alle Ende Januar überglücklich ihre Anmeldebescheinigung zum Medoc-Marathon in den Händen.

Eine der Besonderheiten des Medoc-Mararthons besteht darin, dass die Teilnehmer mehr oder weniger kostümiert an den Start gehen. Lange Zeit wurde deshalb innerhalb der Gruppe die Frage kontrovers diskutiert, ob und gegebenenfalls wie kostümiert wir die 42,195 km angehen wollten. Schließlich setzte sich Holger mit seinen Vorschlag „Hermes, der Götterbote“ durch und er entwarf auch eigenhändig das entsprechende Prototypen-Gewand.

Am Abend des 7.9.2006 ging’s dann endlich los. Nach elfstündiger, nächtlicher Fahrt, die abgesehen von einer kleinen Verirrung kurz hinter Eupen, problemlos verlief, erreichten wir unser Basislager in Hourtin Plages. Hier hatte uns Christof auf einem wunderschönen, in direkter Strandnähe gelegenen Campingplatz einquartiert. Wir bezogen unsere Mobil-Homes und begannen, uns mit  Rotwein und Käse auf das  bevorstehende Event vorzubereiten.

Eine weitere Besonderheit des Medoc-Marathons ist nämlich, dass an den Verpflegungsständen an der Strecke neben isotonischen Getränken und ähnlichen Köstlichkeiten auch die verschiedensten Rotweine aus der Region angeboten werden. Ursprünglich wurde der Lauf von einer Gruppe Doktoren initiiert. Sie waren alle Läufer und tranken gerne Rotwein und so wurden mit diesem Lauf beide Hobbys vereint. Seitdem sprechen die Veranstalter selbst vom „längsten Marathon der Welt“ – nicht, weil sie mehr als 42,195 Km ausgemessen haben – nein, das Rotweinangebot verlängert für den ein oder anderen die Strecke enorm.

Christof behielt Gott-sei-Dank weiter den Überblick und trug dafür Sorge, dass wir uns im Laufe des Tages zum Startort nach Pauillac begaben, um unsere Startunterlagen entgegen zu nehmen. Den restlichen Tag verlebten wir - meist schlafend - am wunderschönen Strand von Hourtin. Der nächste Tag begann mit einem lockeren Jogging und anschließend setzten wir die allgemeine Marathonvorbereitung (Rotwein/Käse) fort. Unter Holgers fachkundiger Anleitung (wir verpassten ihm später den Spitznamen „Designer“) schneiderten die übrigen Reiseteilnehmer zwischendurch im Rahmen einer Bastelstunde   ihre“Hermes-der-Götterbote-Kostüme“ zu Recht. Die Grundregeln des Marathonvorabends (ausschlafen, nichts Ungewohntes essen, kein Alkohol) wurden dabei außer Kraft gesetzt, weshalb am nächsten Tag der eine oder andere mit heftigsten Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Am Marathontag erreichten wir gegen 9.00 h wir Pauillac. Auf dem Fußmarsch zum Startbereich herrschte bereits eine Wahnsinnstimmung. Eine ganze Stadt im Marathonfieber. Überall Musik und toll kostümierte Marathonis. Lebende Windmühlen, Segelschiffe, die später über die gesamte Distanz gezogen werden sollten, Zidanes und Materazzis, Strafbataillone, Prinzessinnen, Bräute, Männer in Frauenkleidern (und umgekehrt), Clowns, rosarote Panther und viele andere komische Gestalten. Ausgelassen tanzende und singende Gruppen füllten den Startbereich. Das Ganze ließ eher einen bevorstehenden Rosenmontagszug in Köln als einen Marathon vermuten. Das Wetter wäre traumhaft für einen Strandtag gewesen, für einen Marathon war es etwas zu heiß. Die Stimmung kochte, riesige feuerspeihende Drachen und auf Bühnen längst der Strecke tanzende Gogo-Girls verkürzten die Wartezeit bis zum Start. Dann der Startschuss. Die Menge setzte sich langsam in Bewegung, begleitet vom Jubel tausender Zuschauer. Gleich hinter dem Ortschild führte die Laufstrecke in die berühmtesten Weinberge der Welt mit ihren edlen Rebsorten. Die ersten 10 km waren noch von vielen Stopp- und Go-Passagen geprägt und man fand nie seinen eigentlichen Laufrythmus. Unsere Uhr zeigte bereits 1 h 30 an, aber das spielte hier überhaupt keine Rolle. Wer hier auf Zeit lief, war selbst dran schuld und verschwendete sein Startgeld. Wann sonst bietet sich schon mal die Gelegenheit,  im Schlossgarten des berühmten Chateau Mouton-Rothschild, den man etwa bei Kilometer 21 durchlief, ein edles Tröpfchen zu genießen. Über insgesamt 23 Schlösser, darunter drei der besten Rotweingüter der Welt, mit tollen Parkanlagen und „Gourmetverpflegung“ führte uns die Strecke. Bei Kilometer 38 wurden sogar Austern mit Weißwein gereicht. An den Chateaux war die Stimmung immer besonders gut. Livemusik, tanzende Zuschauer, die herrliche Umgebung und das tolle Wetter ließen regelmäßig Straßenfeststimmung aufkommen. Unterwegs sollen über 50 Musikpunkte platziert gewesen sein, wir haben sie nicht gezählt, aber es kann schon stimmen. Überall war Musik, vom Alleinunterhalter auf der Orgel über CD-Player bis zum Orchester. Die Strecke zwischen den Chateaux in den Weinbergen verlangte uns, trotz oder gerade wegen des langsamen Lauftempos viel Biss ab und man musste sich immer wieder neu motivieren weiter zu laufen. Bei Kilometer 40 konnte wir uns bei gegrilltem „Entrecote“ die Kraft für die letzten Meter holen. Im gemütlichen Tempo ging es nun an der Gironde entlang Richtung Ziel. Im Zielbereich standen die Zuschauer wieder zu tausenden und wir erlebten (wein)-selig die letzten 195 Meter, die wir in geschlossener Gruppe über den berühmten roten Teppich laufen durften. Hinter der Ziellinie (Bruttozeit: ca. 6 h 03  !) überreichten uns fleißige Helfer je eine Siegermedaille, 1 Paar Flipflops, einen Rucksack, eine Erinnerungstafel aus Holz und eine Flasche Bordeaux (Jahrgg. 1996). Mit uns erreichten innerhalb des Zeitlimits von 7 h 30 etwa 7.200 von 8.500 gestarteten Marathonis das Ziel.

Im Zielbereich konnten wir unsere leeren Depots, soweit man aufgrund der tollen Streckenverpflegung überhaupt davon sprechen konnte, wieder auffüllen mit Rotwein, Cola, Bier, Marmeladenbrote, Joghurt, Obst, Kuchen, Knobi-Baguettes und Wurstbroten.

Mit Mehrheitsbeschluss hatten wir uns gegen die Teilnahme am Rahmenprogramm des Marathons (Pasta-Party, Pre- und Post-Race-Party, Siegerehrung, bei  der der Sieger mit Rotwein aufgewogen wird, Chateaux-Besichtigungen mit Weinproben, Feuerwerk,  9 km-Regenerierungslauf am Sonntag mit anschließender Weinprobe) ausgesprochen. Wir bereiteten das Rennen so nach wie wir es auch vorbereitet hatten, nämlich mit Rotwein und Käse am Strand. Und auch das hat riesigen Spaß gemacht.

Fazit: Ein Lauf, den man mitgemacht haben sollte – am besten zweimal, um ihn richtig genießen zu können.